City-Belebung

„Die Essener wollen ihre Innenstadt lieben“

28.08.2020 - von Gudrun Heyder

„Die Vergangenheit kommt nicht wieder“, sagt Svenja Krämer, die von ihrem Büro der EMG (Essen Marketing GmbH) aus über den Kennedyplatz schaut. Was heißt das für die Zukunft der Essener Innenstadt? Die Aufgabe, dem Stadtkern mehr Leben einzuhauchen, das längst verblichene Image als überregional anziehende  Einkaufsmeile wieder zu beleben, die City attraktiv für alle Generationen zu gestalten, ist nicht gerade leicht. Vor allem, seit Corona dort Konsum, Kultur und Gastronomie erst ganz gestoppt und dann stark eingeschränkt hat.  

Geografin Svenja Krämer wäre eine Fehlbesetzung, wenn sie in das allgemeine Klagelied vieler Essener:innen einstimmen würde: „In der City fehlen gute Geschäfte, da ist nichts los, man fühlt sich nicht mehr wohl.“ Doch, es gibt attraktive Läden und Angebote, aber man muss sie auch wahrnehmen! Das ist die feste Überzeugung der gebürtigen Essenerin, die im Oktober 2019 von der Dinslakener Wirtschaftsförderung aus auch beruflich in ihre Heimatstadt zurückkehrte. Als Leiterin des City- und Zentrenmanagements steht sie vor vielen Herausforderungen, die sie als Ansporn erlebt. 

Zur Person – Svenja Krämer

Die gebürtige Essenerin Svenja Krämer, Jahrgang 1979, studierte an der Ruhr-Universität Bochum. Die Diplom-Geografin war zunächst wissenschaftliche Mitarbeiterin eines Dortmunder Stadtforschungsunternehmens und von 2009 bis 2013 Referentin für Stadtentwicklung, Raumordnung und Bauleitplanung in der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer zu Duisburg. Bis 2019 leitete Svenja Krämer dann die Stabsstelle Wirtschaftsförderung in Dinslaken. 

In Essen übernahm Svenja Krämer am 01.10.2019 einige Aufgaben von EMG-Geschäftsführer Dieter Groppe, der in den Ruhestand ging. Neu ist der stärkere Fokus auf die Zentren-Entwicklung in der Innenstadt sowie in Steele, Borbeck, Rüttenscheid und Altenessen. Die Lieblingsplätze der Citymanagerin sind der Domhof und „rund um das Grillotheater“. Die 41-Jährige lebt mit ihrer Familie im Moltkeviertel. Ihre Freizeit verbringt sie am liebsten auf dem Rücken ihres Pferdes . 

Udo Lindenberg lobt: „Was seid Ihr hier gut drauf!“

Wenn Udo Lindenberg bei der Premiere seines Films in Deutschlands größtem und schönsten Kino, der Lichtburg, ausruft „Was für ein tolles Kino, was seid Ihr hier gut drauf!“, dann könne man wohl stolz auf Essens City sein. Wie unzählige andere Stars, die im Laufe der Jahrzehnte hier ihre Filme präsentieren durften, genoss Udo die glanzvolle Kulisse des historischen Lichtspielhauses. Aber die Essener:innen seien leider schon längst nicht mehr stolz auf ihren Stadtkern, bedauert Krämer. Sie hält es für typisch, dass die Menschen stets ihre eigene Innenstadt runtermachen würden, das kenne sie aus anderen Städten. „Auswärtige sagen uns, dass es bei uns doch richtig gut ist im Vergleich zu anderen Stadtkernen.“ 

Svenja Krämer ist Visionärin und Realistin zugleich, gewiss sieht sie aber auch die Probleme. Und räumt ein: „Viele konkrete Ideen der EMG für Veranstaltungen und Anderes hat die Pandemie ausgebremst.“ So wollte sie den Willy-Brandt-Platz, das Eingangstor zum Stadtkern zwischen Hauptbahnhof und Kettwiger Straße, mit Märkten beleben. Geplant waren ein Wochenmarkt und ein Feierabendmarkt ursprünglich ab Mai 2020, dann ab September. „Nun haben wir beschlossen, diese Vorhaben wegen der wieder ansteigenden Infektionszahlen auf 2021 zu verschieben“, so Svenja Krämer. „Wir sind aber guter Dinge und hoffen, dass es nächstes Jahr wieder halbwegs in Richtung Normalität geht.“ 

Gemeinschaftsgefühl durch virtuelle Vernetzung stärken

Gemeinschaftsgefühl durch virtuelle Vernetzung stärken

Als die Kontaktbeschränkungen aufgrund der Pandemie in Kraft traten, habe die EMG blitzschnell reagiert: „Ende März hatten wir donnerstags die Idee zu ‚Essen hält zusammen‘ und Montag ging die Plattform online.“ Viele Geschäftsleute und Gastronomen hätten diese unkomplizierte Möglichkeit genutzt, sich virtuell zu vernetzen und Services wie Bring- und Abholdienste anzubieten. „Es gab über 400 Einträge.“ Die Aktion habe das Gemeinschaftsgefühl der City-Unternehmen gestärkt. Svenja Krämer betont, dass eine engere Vernetzung aller Akteure im Stadtkern ihr großes Ziel sei. „Große Herausforderungen für die Zukunft der City gibt es schon lange, und Corona hat sie sozusagen geboostet.“ 

Karstadt Kaufhof-Schließung auch als Chance sehen

Der nächste Schlag war das Drama um die Schließung der letzten großen Kaufhäuser in der Innenstadt, der beiden Galeria Karstadt Kaufhof-Filialen im Einkaufszentrum am Limbecker Platz und am Willy-Brandt-Platz. Erstere wurde im August gefühlt in letzter Sekunde gerettet, für zweitere ist Mitte Oktober 2020 definitiv Schluss. Aber das sieht Svenja Krämer unverdrossen sogar als Chance. „Die Schließung hat uns nicht überrascht. Es gab einen Plan B, den der Immobilieneigentümer nun wieder herausgeholt hat und weiter entwickelt. EMG, Wirtschaftsförderung, Stadtplanung und der Immobilieneigentümer entwickeln im engen Schulterschluss ein neues Szenario.“ Einzelhandel auf fünf Etagen sei endgültig out. Das Zauberwort heißt Nutzungsmix: unten Restaurants und Läden und oben andere, neue Nutzungen für die Innenstadt, die spannend sind und Frequenz in die Stadt bringen. Das Land NRW unterstützt vom Karstadt-Kaufhof-Aus betroffene Städte mit  einem umfassenden Förderprogramm zur Stärkung der Innenstädte, das wird helfen. 

Essener:innen sollen stolz auf die City sein können

Essener:innen sollen stolz auf die City sein können

„Multifunktional“ soll auch die gesamte Essener City werden, kündigt die Diplom-Geografin an. „Mehr Grün, mehr Aufenthaltsqualität, mehr Sitzmöglichkeiten, spannende Gastronomie, attraktive Wohnungen, natürlich weiterhin guter Einzelhandel“, zählt Svenja Krämer auf. Was modern klingt, sei eigentlich alt: „Früher waren im Stadtkern Wohnen, Arbeiten, Handel und Kultur versammelt.“ Die Innenstadt müsse unbedingt einen Mehrwert bieten, damit die Essener*innen sich wieder mit ihr identifizieren könnten. „Die Essener wollen ihre City lieben und wir arbeiten darauf hin, dass sie wieder stolz auf sie sein können.“ Eine Riesenaufgabe, die viele Jahre in Anspruch nehmen werde.

Bis zu 12.000 Euro Förderung für Geschäfte sind drin

Um dieses hehre Ziel zu erreichen, müssten alle Beteiligten mitziehen. Svenja Krämer sagt klipp und klar, dass ein Teil der Immobilienbesitzer nicht ganz auf dem Laufenden sei, was realistische Miethöhen anbelangt. „Absolut zu hoch“, urteilt die Expertin. Man sei im Gespräch und verklickere den Hauseigentümern, welche Forderungen angemessen seien. Bei Anderen läuft es besser: „Ich wurde in meiner neuen Funktion gerade von den großen Händlern mit offenen Armen empfangen und wir haben ein enges Vertrauensverhältnis entwickelt“, freut sich Svenja Krämer. Auch manche Hauseigentümer hätten inzwischen verstanden, dass sie sich auf die EMG als Partnerin verlassen könnten.   

Wer auch gewaltig in die Gänge kommen müsse, seien alle Geschäfte, die sich mit dem Onlinehandel noch schwertun, mahnt Svenja Krämer. „Nur stationär Waren anzubieten, reicht nicht mehr! Um dem 24/7-Shopping per Internet etwas entgegenzusetzen, müsse man sich die Mühe machen, sein Angebot auf einer guten Webseite und in Social Media zu präsentieren. „Dafür gibt es zurzeit Fördermittel von bis zu 12.000 € und kostenfreie Beratung unter anderem von der EMG, EWG und der IHK.“   

Mitmachen: Auf in Cafés, Geschäfte, Kino und Theater

Mitmachen: Auf in Cafés, Geschäfte, Kino und Theater

Was jede und jeder selbst tun kann, damit der Stadtkern wieder auflebt? Auch da wird Svenja Krämer deutlich: „Der erste wichtige Schritt besteht darin, die Angebote in der City wahrzunehmen und zu nutzen, anstatt diese schlecht zu reden. Das nämlich ist ein sich selbst verstärkender Prozess. Alle haben gejammert, als das Café Overbeck schloss, und wenn man fragte, wann warst du denn zuletzt da, war das schon ewig her. Also sorgen Sie für Umsatz. Und der zweite entscheidende Schritt sei, so Krämer: „Binden Sie die Innenstadt in Ihre Freizeitgestaltung ein – mit Theater, Kinos und Gastronomie. Das geht inzwischen trotz Corona wieder gut, und das Grillotheater, die Kinos, der Domschatz, die Restaurants und Cafés haben viel zu bieten.“  

Bürger*innen bewerten den Stadtteil Borbeck

Auch in anderen Stadtteilen ist Svenja Krämer aktiv. Eine Befragung zum Thema „Wie bewerten die Essener das Zentrum des Stadtteils Borbeck?“ ist abgeschlossen. „Die Ergebnisse können wir hoffentlich bald präsentieren.“ Um eine wissenschaftlich fundierte Antwort zu erhalten, hat die in Essen ansässige FOM Hochschule in Kooperation mit EMG, IHK und weiteren Beteiligten eine anonyme Befragung durchgeführt. Alle Essener Bürgerinnen und Bürger konnten mitmachen und ihre Einstellung zum Stadtteil und dessen Image äußern sowie Zukunftswünsche nennen. Die schriftliche Befragung ist Teil einer zweistufigen Erhebung zum Borbecker Zentrum. Ende 2019 gab es bereits mündliche Interviews mit einzelnen lokalen Akteuren.

Kontakt

Svenja Krämer
Prokuristin
Leiterin City- und Zentrenmanagement

EMG - Essen Marketing GmbH 
TEL + 49 (0) 201 88720-28

MOBIL +49 (0) 151 26669998  

Kennedyplatz 5
45127 Essen
E-Mail: info@essen-marketing.de
URL: www.visitessen.de 

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