Blutbanken so leer wie noch nie

Spender:innen dringend gesucht!

08.09.2020 - von Jennifer Humpfle

Einzeln betreten nach und nach Männer und Frauen den kleinen Vorraum. Dort werden ihnen einige Fragen gestellt, sie müssen ihren Personalausweis und, falls vorhanden, ihren Blutspendeausweis vorlegen. Dann wird an der Stirn Fieber gemessen. Wer keine erhöhte Temperatur hat, erhält einen Fragebogen, mit dem er die Treppe hinauf in den ersten Stock steigen darf. Auch wenn es an diesem Tag beim DRK-Blutspendedienst West in der Essener City, Kettwiger Straße 5, recht geschäftig zugeht, fehlen die Spenden an alle Ecken und Enden. Deshalb rufen Ärzte und Blutspendedienst auf, spenden zu gehen.

Täglich werden 14.000 Spenden benötigt

Die Blutproben der Spender werden säuberlich etikettiert Die Blutproben der Spender werden säuberlich etikettiert

„Wie groß der Mangel an Blutspenden ist, zeigt sich auch daran, dass aktuell viele Ärzte und Pfleger zu uns kommen, um zu spenden“, sagt Dr. Mareon Weiland. Zu Beginn der Coronakrise hätten die Spender:innen ihnen fast die Türen eingerannt. Zum Ende des Lockdowns kam kaum einer freiwillig. Erschwerend komme hinzu, dass große Spendenaktionen in Firmen nicht stattfinden und auch die Spendemobile noch nicht wieder voll im Einsatz sind. Der kleine Einbruch, den es jedes Jahr in den Sommerferien gibt, macht sich dieses Jahr noch deutlicher bemerkbar. „Ich bin seit 1994 hier tätig“, sagt Dr. Weiland und schüttelt den Kopf: „Solche Löcher in den Blutbanken habe ich noch nie erlebt.“ Deutschlandweit brauche es täglich 14.000 Spender:innen, um die Blutbanken ausreichend zu füllen. „Im Einzugsbereich des DRK-Blutspendedienst West – NRW, Rheinland-Pfalz und Saarland – benötigen wir täglich bis zu 3000 Menschen, die Blut spenden“, erklärt Daniel Beiser, stellvertretender Pressesprecher des DRK-Blutspendedienst.

Info:

Der DRK-Blutspendedienst West ist einer von sechs gemeinnützigen DRK-Blutspendediensten in Deutschland. 1951 hat der DRK als erste Organisation überhaupt die Verantwortung für die Versorgung von Patienten mit Blutkonserven übernommen. Täglich liefert der Dienst bis zu 15.000 Blutkonserven an Krankenhäuser und Arztpraxen und sichert damit rund 75 Prozent des therapeutischen Bedarfs an Blutpräparaten für die Patienten.

Vorräte an den Blutbanken sind fast leer

Wofür wird Spenderblut benötigt? Foto: DRK-Blutspendezentrum West Wofür wird Spenderblut benötigt? Foto: DRK-Blutspendezentrum West

Ideal sei es, einen vier bis fünf Tages-Vorrat an Blutspenden zu haben. „Momentan erreichen wir bei vielen Blutgruppen nur einen Eintagesvorrat. Dies bedeutet, dass die Lager morgens, nachdem die Blutkonserven ausgeliefert wurden, leer sind.“ Aus diesem Grund kürze der Blutspendedienst aktuell die Lieferungen an die Krankenhäuser um bis zu 60 Prozent, um weiterhin für Notfälle „gerüstet“ zu sein. Doch wofür wird das ganze Spenderblut eigentlich benötigt? „Gerade Krebspatienten und Unfallopfer sind permanent auf Blut angewiesen,“ erklärt Daniel Beiser (s.h. Grafik). „Wir sind einer der Hauptversorger und es ist unsere zentrale Aufgabe, immer ausreichend Blut zur Verfügung zu stellen.“ Eine Folge des Mangels an Spenderblut ist, dass Operationen – beispielsweise am Knie – verschoben werden müssen. Wie viel Spenderblut benötigt wird, ist unterschiedlich: „Krebspatienten benötigen sehr regelmäßig Blut“, sagt Beiser. Eine Transfusion sei nicht viel, aber in der Masse werden schnell hohe Werte erreicht. Bei Unfallopfern oder Organtransplantationen werden mit 30 Blutkonserven und mehr große Mengen benötigt. „Deshalb finden Blutspenden trotz Corona statt und werden dringend benötigt!“

Unter diesen Voraussetzungen kann man Blut spenden

Dr. Mareon Weiland misst den Blutdruck der Spenderin. Dr. Mareon Weiland misst den Blutdruck der Spenderin.

Das Blutspenden an sich ist keine große Sache. Trotzdem gibt es Einiges zu beachten: Spenden kann man ab 18 Jahren. Wer zum ersten Mal Blut spendet, darf nicht älter als 68 Jahre sein. Wiederholspender:innen dürfen bis 75 – genau gesagt, bis einen Tag vor dem 76. Geburtstag – Blut spenden. Darüber hinaus müssen Spender:innen gesund sein, mindestens 50 Kilogramm wiegen und von einem Arzt zur Blutspende zugelassen werden. „Ich mache mit den Spendern einen kleinen Gesundheits-Check“, erklärt Dr. Mareon Weiland vom DRK. Die Ärztin ist eine von vielen, die im DRK-Blutspendezentrum in der Essener Innenstadt im Einsatz sind. „Zur Anamnese zählen Blutdruck-, Puls- Temperaturmessen und das Bestimmen des Hämoglobinwertes.“ Das Hämoglobin, der Blutfarbstoff, zeige beispielsweise, ob Spender:innen zu einer Anämie, also einer Blutarmut neigen und damit ungeeignet sind. Auch Herzerkrankungen, schwere Hirnverletzungen oder Epilepsie seien Ausschlusskriterien. „Außerdem gibt es vorübergehende Gründe, warum jemand nicht spenden darf.“ Wer aktuell Cortison oder Antibiotika nehme, Entzündungen im Körper habe oder kürzlich eine Magen-Darmspiegelung hatte, muss einige Zeit warten, bis er oder sie wieder zur Blutspende gehen darf. Für Reiserückkehrer:innen formuliert der Blutspendedienst klare Regeln: „Personen, die sich in den letzten zwei Wochen außerhalb der EU oder der Staaten des Europäischen Freihandelsabkommens aufgehalten haben, dürfen aktuell kein Blut spenden. Das gilt auch, wenn das Aufenthaltsland kein Risikogebiet nach der Definition des Robert-Koch-Institutes ist.“ 

Die eigentliche Blutspende dauert nur fünf bis zehn Minuten

Svenja Schade packt die Care-Pakete für die Spender. Svenja Schade packt die Care-Pakete für die Spender.

Nach der Besprechung des Fragebogens und dem Check-Up, entscheidet Dr. Mareon Weiland, ob eine Blutspende möglich ist. Wenn ja, dürfen die Spender:innen in den großen, hellen Raum neben dem Ärztezimmer wechseln. Dort stehen – mit ausreichend Abstand – gemütliche Liegen bereit. Monika Dillen, Teamleiterin, erklärt genau, wie die Blutentnahme abläuft. Rund ein halber Liter Blut läuft aus einer Armvene über eine sterile Einweg-Kanüle und einen Schlauch in einen Beutel. Neben der Liege steht ein recht großer Apparat, auf dem der Beutel liegt. Dabei handelt es sich um eine elektrische Mischwaage, die durch Bewegung dafür sorgt, dass sich das Spenderblut mit einer Lösung vermischt – so wird die Gerinnung des Blutes vermieden. „Nach der Spende muss jeder zehn Minuten liegen bleiben, damit sich der Kreislauf etwas regenerieren kann“, sagt Dr. Mareon Weiland. Danach gelte es, gut 24 Stunden auf den Kreislauf zu achten, viel zu trinken, Sport und Sauna zu vermeiden. „Danach ist der Kreislauf wieder gefüllt.“ Bis das entnommene Blut komplett wieder hergestellt ist, dauert es drei bis vier Wochen. Nach der Blutspende und der Ruhepause erhalten die Spender:innen noch einen Imbiss. „Normalerweise essen die Leute hier im Bistro, häufig sind es Gruppen, die gemeinsam kommen“, berichtet Svenja Schade, studentische Mitarbeiterin beim DRK. Aufgrund der Corona-Pandemie sei dies aber aktuell nicht erlaubt. „Deshalb packe ich Care-Pakete, die die Spender dann mitnehmen können.“ Darin enthalten: ein Brötchen, ein Teilchen, Obst und Schokolade – „Die Schokolade ist ganz wichtig, da fragen immer alle nach.“

Keine Ansteckungsgefahr – Corona wird nicht über Blut übertragen

Damit die Kanüle während der Spende nicht verrutscht, wird sie mit einem Tape befestigt. Damit die Kanüle während der Spende nicht verrutscht, wird sie mit einem Tape befestigt.

„Ich habe früher mal gespendet, dachte jetzt aber, ich sei zu alt dafür“, verrät eine 66-jährige Spenderin nach ihrem Gespräch mit der Ärztin. Früher habe sie regelmäßig gespendet. Die Essenerin habe gelesen, dass es zurzeit große Probleme gibt, ausreichend Spender zu finden: „Das hat mich motiviert. Ich möchte jetzt auch wieder regelmäßig gehen.“ Wie oft man spenden darf, hängt vom Geschlecht ab: Männer dürfen sich alle zwei Monate, Frauen alle drei Monate anzapfen lassen. Gesucht wird vor allem die Blutgruppe 0 negativ. Sie ist am seltensten und gleichzeitig am wertvollsten, da sie jedem gespendet werden kann. Am häufigsten sind die Blutgruppen A positiv und 0 positiv. Blut, das im Blutspendezentrum gespendet wird, wird noch in der Nacht nach Hagen gefahren und dort weiterverarbeitet. Dort wird es auch auf verschiedene Krankheitserreger getestet. Wer Blut spendet, hilft damit nicht nur anderen, sondern hat selber Vorteile. Neben dem kleinen Gesundheitscheck durch die Ärzte, wird das Blut bei jeder Spende auf Infektionskrankheiten wie HIV, Hepatitis A/B/C und E sowie Syphilis getestet. „Corona wird übrigens nicht übers Blut übertragen“, betont Dr. Weiland. „Deshalb testen wir das Blut auch nicht darauf.“ Trotzdem sei Corona ein Thema: Im gesamten Blutspendezentrum ist das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes Pflicht. Außerdem ist darauf zu achten, die Abstände einzuhalten. 

Mitmachen:

  • Wer Blut spenden möchte, kann einfach zu einem der zahlreichen Termine des DRK oder ins Blutspendezentrum gehen. Das Zentrum hat montags bis samstags von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Täglich bietet der DRK Blutspendedienst West in seinem Verbreitungsgebiet bis zu 50 Termine. Alle Termine findet man unter www.blutspende.jetzt oder über die Blutspende-App (https://www.drk-blutspende.de/spenderservices/blutspende-app.php).

    Blutspenden kann man aber nicht nur beim DRK. Am Universitätsklinikum Essen kann man zu folgenden Zeiten Blut spenden: Montag von 9 bis 13 Uhr, Dienstag 13 bis 19 Uhr, Mittwoch 14 bis 18 Uhr, Donnerstag und Freitag 7.30 bis 10.30 Uhr. Nach Terminvereinbarung unter 0201 723-1560/1561 können Spender:innen donnerstags auch von 10.30 bis 13 Uhr kommen. Neuspender:innen bittet das Klinikum darum, spätestens eine halbe Stunde vor Ende der Sprechzeit da zu sein. Spender:innen erhalten je nach Art der geleisteten Spende eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 26 bis 60 Euro. Außerdem gibt es die Aktion „Spender werben Spender“, die wie folgt beschrieben wird: „Super, dass du heute gespendet hast! Wir freuen uns, wenn du andere Menschen überzeugst, ihr Blut für Patienten in Essen zu spenden! Mach‘ ein Selfie und teile es mit deiner Familie, Freunden, Bekannten und Kollegen. #JedeSpedenzählt #BlutspendeUKEssen #spenderwerbenspender... Der geworbene Neuspender:in kann dich bei der Spende angeben und du bekommst, z.B. bei der nächsten Spende, 10 Euro. Du musst dich aktiv innerhalb von zwei Monaten später bei uns melden, ansonsten verfällt der Anspruch.“

    Im Haema Blutspendezentrum (www.haema.de) an der Kettwiger Straße 64 muss man aufgrund der Corona-Krise aktuell einen Termin unter 0201 946 046 00 vereinbaren. Die Öffnungszeiten sind montags bis freitags von 8 bis 19 Uhr. Blut- oder Plasmaspenden werden bei Haema mit einer pauschalierten Aufwandsentschädigung abgegolten. Wer hier einen neuen Spender:in wirbt, der dann auch wirklich zur Spende erscheint, erhält als Belohnung eine kleine Überraschung.

Kontakt:

DRK-Blutspendezentrum Essen
Kettwiger Straße 5
45127 Essen
Tel. 0201 543 793 47
info.essen@bsdwest.de
www.drk-blutspende.de

Blutspender-Hotline 
0800 11 94 911
(montags bis freitags von 8 bis 18 Uhr)

Universitätsklinikum Essen (Voruntersuchungen und Vollblutspenden)
Hufelandstraße 55
45147 Essen
Gebäude OZ II, EG
Tel. 0201 723-1560/1561
blutspende@uk-essen.de
www.uk-essen.de/transfusionsmedizin/blutspende 

Haema Blutspendezentrum Essen
Kettwiger Straße 64
45127 Essen
Tel. 0201 946 046 00
www.haema.de

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