„Uns läuft die Zeit davon.“ Petra Boesings Warnung klingt klar und eindringlich. „Um den Klimawandel noch aufhalten zu können, müssen die Städte möglichst bald CO2-neutral werden.“ Die Stadt Essen soll dieses Ziel bis 2030 erreichen. Dafür kämpfen Petra Boesing und ihre Mitstreiter der jüngst gegründeten Initiative „Klimaentscheid Essen“. Die Stadt soll einen Aktionsplan vorlegen, um die Ziele der Pariser Klimakonferenz zu erreichen. Mit einem erfolgreichen Bürgerbegehren wollen sie dafür den Grundstein dafür legen.
Essen kämpft für eine klimaneutrale Stadt
29.07.2020 - von Sonja Strahl
Essen ist Pilotstadt für den Klimaentscheid
Das Projekt „Klimaentscheid“ wurde von GermanZero, einem gemeinnützigen Verein mit Sitz in Hamburg, ins Leben gerufen. Die Idee: Bürgerinnen und Bürger machen sich dafür stark, dass ihre Kommune klimaneutral wird – und üben mit einem Klimaentscheid Druck auf die Politik aus. Ziel ist es, in möglichst vielen Städten einen Klimaentscheid auf die Beine zu stellen.
Essen kommt dabei eine besondere Rolle zu: Die ehemalige „Grüne Hauptstadt Europas“ ist Pilotstadt für das angestrebte Bürgerbegehren, das sich auf das Pariser Klimaabkommen von 2015 beruft. Damals hatten sich mehr als 190 Staaten, darunter die Mitglieder der Europäischen Union, darauf verständigt, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen zu wollen.
Initiative kritisiert fehlenden Mut der Politik
Passiert sei in Essen seitdem zu wenig, kritisiert Petra Boesing: „Mein Eindruck ist, dass der Politik oft der Mut fehlt. Man muss ja nur auf die Planungen zur Fahrradstraße auf der Rü schauen – ohne den Autoverkehr und Parkplätze einzuschränken, wird das nicht funktionieren.“ Ein Blick ins benachbarte Holland zeige, dass ein gut geplanter Radverkehr die Städte attraktiver mache. „Auch Essen könnte wesentlich lebenswerter sein, gerade auch mit Blick auf junge Familien, die sich entscheiden, ob sie hierhin ziehen oder nicht“, ist Petra Boesing überzeugt.
Klimastadtplan zeigt Potenziale der CO2-Einsparung
Doch die Verkehrswende ist längst nicht das einzige Anliegen des Klimaentscheids Essen. Im Juni präsentierten die Organisatoren einen detaillierten „Klimastadtplan Essen“, in dem unter anderem ein vollständiger Umstieg auf Strom aus Sonnen- und Windenergie, eine Wärmesanierung aller Gebäude (mit entsprechenden Förderprogrammen für Hausbesitzer), ein deutlicher Ausbau von ÖPNV und Radwegen, eine klimafreundliche Umgestaltung von Arbeitsabläufen in ortansässigen Betrieben und eine gezielte Nutzung von Humusböden und Wald als Kohlenstoffspeicher gefordert wird.
Finanzierung größtenteils aus Fördermitteln
„Essen stößt jedes Jahr 4,1 Millionen Tonnen CO2 aus. Mit den Maßnahmen des Klimastadtplans könnten bis zum Jahr 2030 insgesamt 90 Prozent CO2 eingespart werden“, so Petra Boesing. Die Finanzierung der Maßnahmen soll größtenteils über Bundesmittel und Zuschüsse der EU abgedeckt werden. Fünf Prozent der Gesamtkosten müsste die hoch verschuldete Kommune selbst übernehmen: 4 Milliarden Euro. Das klingt nach einem ganzen Batzen. Dennoch ist Böesing überzeugt: „Das ist finanziell machbar. Zudem entstünden auch neue Stellen, vor allem auf Verwaltungsebene und im Handwerk.“
Notwendig sind knapp 15.000 Unterschriften
Um die Politik zum Handeln zu bewegen, muss die Initiative noch Überzeugungsarbeit leisten. Knapp 15.000 Unterschriften – das entspricht 3 Prozent aller Essener, die bei den Kommunalwahlen wahlberechtigt sind – muss das Bürgerbegehren zusammenbekommen. Derzeit wird noch an den juristischen Feinheiten des Textes gefeilt. „Wir möchten auf jeden Fall noch 2020 anfangen und bis ins Jahr 2021 hinein sammeln“, erklärt Petra Boesing. Eine Frist haben die Initiatoren nicht: „Uns ist wichtig, dass wir unsere Zeit auch nutzen, um zu informieren.“
Online-Veranstaltungen und Info-Stände
Am 17. August um 20 Uhr steht das erste Online-Seminar auf dem Programm. Zum Thema „Wie und warum sollte CO2 bepreist werden?“ haben die Aktivisten einen Referenten vom Verein „CO2 Abgabe e.V.“ eingeladen. Auch eine Veranstaltung zum Thema Gebäudesanierung ist in Planung. In der heißen Phase des Kommunalwahlkampfes möchte die Initiative darüber hinaus mit Info-Ständen in der Stadt präsent sein, um mit Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch zu kommen.
Arbeitsgruppen für unterschiedliche Aufgaben
Viele Aufgaben also, für die neue Mitstreiter willkommen sind: Derzeit sind 17 Engagierte beim Klimaentscheid aktiv, einige der Mitwirkenden – wie Petra Boesing selbst – waren zuvor bei „Parents für Future“ oder anderen Initiativen tätig. Neben dem Kernteam gibt es Arbeitsgruppen für Kommunikation und Vernetzung, ebenso für Infostände und Organisatorisches zum Bürgerbegehren. Über sich und ihre Arbeit informiert die Gruppe bei Facebook, Instagram und per Newsletter. Eine Homepage ist im Aufbau und soll in den nächsten Wochen online gehen.
Um bei der Klimaentscheid-Initiative mitzumachen, müsse man kein Experte sein, so Petra Boesing: „Wir möchten Menschen für unsere Idee begeistern. Interessierte können sich überall und auf jede Art einbringen.“
Info:
Die Anmeldung zur Online-Veranstaltung am 17. August 2020 läuft über die Seite crm.co2abgabe.de und ist kostenlos.
Kontakt:
Facebook
mail@klimaentscheid-essen.de
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