MENSCHENMÖGLICHES e.V.

Kinder auffangen, wenn Eltern Krebs haben

14.09.2020 - von Gudrun Heyder

Etwa 1000 Kinder in Essen haben ein an Krebs erkranktes Elternteil, sagt der Verein Menschenmögliches. Eine Krebsdiagnose ist ein Schock und stellt das Leben eines Menschen von einem Moment auf den anderen auf den Kopf. Betroffene sind meistens so mit sich selbst beschäftigt, dass sie den Bedürfnissen ihrer Kinder schwer gerecht werden können. Und sie sind unsicher: Wie sage ich meinem Kind, dass ich sehr krank bin, was versteht es schon, was kann es verkraften? Wer sorgt während meiner Behandlung für das Kind? Was passiert, wenn ich sterben muss? Die gesamte Familie ist psychisch belastet. 

„Schwere Last von kleinen Schultern nehmen“

Engagiert: Simone Oster (l.) und Sherille Veira, Geschäftsführerinnen von Menschenmögliches e.V. Engagiert: Simone Oster (l.) und Sherille Veira, Geschäftsführerinnen von Menschenmögliches e.V.

Menschenmögliches wurde 2011 gegründet, um Familien in dieser Ausnahmesituation unter die Arme zu greifen. „Schwere Last von kleinen Schultern nehmen – Familienbegleitung durch Krankheit und Trauer“ heißt das wesentliche Projekt. Mal mit einer kurzen Krisenintervention, mal mit einer längerfristigen Begleitung von der Diagnosestellung an, auch bis über den Tod hinaus, ist der Verein zur Stelle. „Damit die Kinder nicht auf der Strecke bleiben“, betont Geschäftsführerin Simone Oster. Je nach Alter haben Kinder ein sehr verschiedenes Verständnis von Krankheit und Sterben, und sie gehen ganz unterschiedlich damit um. Die Therapeutinnen des Vereins sind darauf spezialisiert, ihnen fachlich qualifiziert und einfühlsam zur Seite zu stehen. „Wir nennen sie  Familienbegleiterinnen, denn ‚Therapeutin‘ klingt für manche Menschen in diesem Zusammenhang abschreckend“, erklärt Sherille Veira. 

Die Gesundheitsökonomin leitet den Verein seit einigen Monaten gemeinsam mit Simone Oster, die seit der Vereinsgründung die Geschäfte führt. Menschenmögliches wächst stetig und hat ehrgeizige Ziele. „Wir möchten mittelfristig die Region Rhein-Ruhr abdecken und neben Essen einen zweiten Standort etablieren“, so die Chefinnen. Den Bedarf bezeichnen sie als riesig, denn ihr Angebot sei im Umkreis einmalig. „Ähnliches gibt es zum Beispiel in Hamburg.“ Veira und Oster wünschen sich, dass so viele Menschen wie möglich Hilfe vom Verein bekommen können.

Info:

Webseite: 
https://www.menschenmoegliches.de

Spenden: 
https://menschenmoegliches.de/sofortspende/

Mitgliedschaft:
https://menschenmoegliches.de/werden-sie-moeglichmacher/

Überblick über bisherige Firmenmitglieder und Sponsoren: 
https://menschenmoegliches.de/kooperationspartner/

„System Familie“ muss sich bei Krankheit neu organisieren

Geschützter Raum: Beratungszimmer für Gespräche mit Erkrankten und ihren Angehörigen. Geschützter Raum: Beratungszimmer für Gespräche mit Erkrankten und ihren Angehörigen.

Manchmal steigen die Begleiterinnen direkt ein, wenn jemand - meistens Frauen - eine Krebsdiagnose erhalten hat. „Sehr oft ist die Krankheit aber weit fortgeschritten oder die Patientin befindet sich in der Sterbephase“, so Sherille Veira. Der Unterstützungsbedarf ist folglich immer anders. Nicht nur die Kinder würden aufgefangen, sondern das „System Familie“ müsse sich neu organisieren und erhalte Hilfestellungen. Menschenmögliches bietet eine Begleitung bis zu etwa anderthalb Jahren Dauer an. Die bislang drei Familienbegleiterinnen stehen jährlich je 15 bis 20 Familien persönlich bei und führen darüber hinaus zahlreiche Gespräche. Stirbt eine Mutter (oder ein Vater), können sich Kinder in therapeutisch begleiteten Trauergruppen mit anderen Mädchen und Jungen austauschen. 

Unkomplizierte und rasche Unterstützung entlastet sehr

„Unser Angebot ist sehr niederschwellig und wir haben keine Wartelisten“, hebt Simone Oster hervor. „Die Patienten empfinden es als große Entlastung.“ Schnell und unbürokratisch helfen zu können, liegt den Geschäftsführerinnen am Herzen. Im Jahr 2021 wollen sie weitere Kooperationspartner:innen gewinnen. „Außerdem möchten wir Sprechstunden bei niedergelassen Ärzten anbieten, vor allem bei Kinderärzten und Onkologen“, kündigt Sherille Veira an. Um ihre Angebote, die „Leben verändern können“ auszubauen, hoffen die Geschäftsführerinnen auf viele weitere Mitgliedschaften im Verein (siehe Info). Die Anzahl der Begleiterinnen soll verdoppelt werden. 

Veira begründet ihre Motivation, ihr Berufsleben dem traurigen Thema Krankheit und Sterben zu widmen, so: „Ich bin selbst Mutter und wäre sehr dankbar für dieses Angebot, wenn ich selbst erkranken würde.“ Wie Simone Oster findet sie ihren Job „sehr sinnstiftend“. Oster: „Es ist schön, anderem Menschen helfen zu können.“  

Promi-Power: Schauspieler Henning Baum und Sternekoch Nelson Müller

Zwei Essener Prominente machen sich seit Jahren für den Verein stark: Schauspieler Henning Baum und Sternekoch Nelson Müller lenken die öffentliche Aufmerksamkeit auf  „Menschenmögliches“ und setzen sich auch persönlich ein. Müller führt das feine Rüttenscheider Restaurant „Schote“ und ist oft als TV-Koch zu sehen. Auch als Soul-Sänger steht er öfters im Rampenlicht. Baum, auch als „letzter Bulle“ bekannt, spendete 2020 seine 125.000 Euro Gewinn aus dem Promi-Special von „Wer wird Millionär“ an den Verein. „Die Starken helfen den Schwachen“, nennt er als Motto des Vereins.    

Auszeit: Kinder und Jugendliche mit einem an Krebs erkrankten Elternteil können auf der Alpaka-Farm einen entspannenden Tag erleben. Auszeit: Kinder und Jugendliche mit einem an Krebs erkrankten Elternteil können auf der Alpaka-Farm einen entspannenden Tag erleben.

Entstehung und Arbeitsweise von Menschenmögliches e.V“:

„Schwere Last von kleinen Schultern nehmen“, das zentrale Projekt des Vereins, wurde 2011 an den Kliniken Essen-Mitte (KEM) gegründet. Tim Geldmacher, Mitglied im KEM-Förderverein, wollte seine eigenen Ideen umsetzen und hat „Menschenmögliches“ mit der damaligen Chefärztin der Palliativmedizin, Dr. Marianne Kloke, an den KEM gegründet. Der geschäftsführende Gesellschafter der Cofermin Rohstoff Gruppe sowie Gesellschafter der TAS Emotional Marketing GmbH ist „Motor“ und einer der drei Vorstände des Vereins. 

„Zunächst hat eine Heilpädagogin auf Stundenbasis Familiengespräche am Krankenbett geführt“, erläutert Geschäftsführerin Simone Oster. „Aber wir brauchten einen geschützten, sicheren Rahmen. Kindern kann man nicht sagen, erzähl doch mal, warum Du traurig bist. Wir haben eine Wohnung neben dem Krankenhaus gemietet, um dort mit den Kindern zu spielen oder basteln und dabei Vertrauen aufzubauen.“  

Die Therapeutinnen können ihr Angebot jederzeit Patient:innen mit Krebs und ihren Angehörigen vorstellen. Vor allem suchen sie die senologische (Brusterkrankungen) und gynäkologische Klinik der KEM auf, sind aber auch mit der Universitätsklinik Essen in Kontakt. „Und wir kooperieren eng mit dem Jugendamt, das uns sehr wohlgesonnen ist“, so Oster. Privatpersonen können sich selbstverständlich auch an den Verein wenden. „Eben rief mich die Freundin einer Mutter an, die vor einer Woche gestorben ist. Sie bat um Unterstützung für die zwölfjährige Tochter ihrer Freundin.“ 

Weitere Projekte des Vereins sind zum Beispiel Kühlhauben für Krebspatientinnen. Sie können während der Chemotherapie bewirken, dass die Patientin aufgrund der weniger durchbluteten Kopfhaut ihre Haare behält.

Zudem gibt es die Möglichkeit für die belasteten Kinder und Jugendliche, einen Tag auf einer Alpakafarm zu verbringen. Der direkte Kontakt zu den Tieren tut ihnen gut.  

Kindern helfen: So kann man „Menschenmögliches e.V.“ unterstützen

Tierisch gut: Ein Kind und ein Alpaka nehmen Kontakt auf. Tierisch gut: Ein Kind und ein Alpaka nehmen Kontakt auf.

Der Verein leistet seine Arbeit teilweise durch Refinanzierung des Jugendamts, ist aber auch sehr auf Spenden angewiesen. Am hilfreichsten ist eine Mitgliedschaft im Verein, die für Privatpersonen 80 Euro und für Unternehmen 500 Euro im Jahr kostet. So können unter anderem Personalkosten für die Therapeutinnen und deren Fortbildungen übernommen werden. 

Einen erheblichen Teil der Spenden akquiriert der Verein bei je zwei großen Veranstaltungen pro Jahr: einem Golftunier im Golfclub Oefte, das wieder am 03.10.2020 ansteht, und der aufwändigen Spendengala „Christmas Soul“, die zuletzt Ende 2019 im Essener Kolosseum mit 1500 Gästen über die Bühne ging. Da sich dort viele Unternehmer:innen großzügig zeigen, konnte der Verein um die 100.000 Euro einnehmen. Sherille Veira will künftig auch Stiftungen um finanzielle Unterstützung bitten. 

Praktisches ehrenamtliches Engagement ist nicht möglich, da „man ungeschulte Personen nicht auf die Erkrankten und die Kinder loslassen kann“, wie Simone Oster erklärt. Um Ehrenamtliche zu schulen und begleiten, fehlten derzeit noch die Kapazitäten. 

Sachspenden sind unter Umständen willkommen. So richtete der Verein seine Angehörigenwohnung für Familien von außerhalb mit gespendeten Möbeln ein. Die Mietkosten trägt ein Vereinsmitglied. Und jüngst wurde im Zuhause einer Oma, zu der Kinder mit einer kranken Mutter umzogen, mit Sachspenden ein Kinderzimmer eingerichtet. 

Kontakt:

Simone Oster

Leitung Kommunikation & Veranstaltungen
0201 – 174 100 26

info@menschenmoegliches.de

MENSCHENMÖGLICHES e. V.
Wallotstraße 4
45136 Essen

Hilfe für betroffene Eltern und Kinder aus Essen

  • Sind Sie als Elternteil onkologisch erkrankt?
    Suchst Du als Kind Hilfe, weil Deine Mutter oder Dein Vater an Krebs erkrankt ist? Melden Sie sich gerne unter folgenden Kontaktdaten:
    0201 - 174 24 366
    familien@menschenmoegliches.de

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